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Autor
Marisa Elsäßer

ARTIKEL

Marke oder Handelsmarke? Was beide voneinander lernen können. Von Dr. Werner Motyka.

Artikel von Dr. Werner Motyka.

Munich Strategy hat 2018 in der Studie „Geschäftsmodell Handelsmarke“ gezeigt, dass sich mit dem richtigen Geschäftsmodell für Private Label nicht nur hohe Wachstumsraten, sondern auch Renditen über dem Branchendurchschnitt erzielen lassen. Dr. Werner Motyka hat in einem Gastbeitrag für die ‚molkerei-industrie‘ zusammengefasst, was Marke und Handelsmarke voneinander lernen können.

„Volldistribution ist Pflicht und macht den entscheidenden Unterschied zu den Marken des Händlers.”

Marken und Handelsmarken auf dem selben Spielfeld
Aufgrund der Professionalisierung des Handels und unterstützt von kompetenten Lieferanten finden sich die Marken von Industrie und Handel heute zunehmend auf demselben Spielfeld wieder. Waren noch vor ein paar Jahren die Preiseinstiegslagen das Revier der Handelsmarken und das obere Ende der Preis- und Qualitätsskala die exklusive Domäne der Markenartikler, sind die Fronten längst aufgeweicht. Vertrauen und Sicherheit, gespeist durch eine hochwertige und konstante Produktqualität und immer wieder neu belebt durch Weiterentwicklung und Innovationen – das bieten dem Verbraucher nicht nur die vertrauten Marken der Industrie, sondern längst auch viele Leistungsmarken des Handels. Die Markenartikler sind gut beraten, Handelsmarken als Wettbewerb auf Augenhöhe wahrzunehmen, auch wenn er sich oft hinter anonymen grauen Balken der Marktforschung verbirgt und keinen Namen trägt.
Aber ist denn dieser Wettbewerb mit dem Handel und seinen Marken für Industriemarken überhaupt zu gewinnen? Schließlich verfügt der Handel doch vermeintlich über alle Trümpfe, seine eigenen Marken zum Erfolg zu führen. Er kann Distribution ‚auf Knopfdruck‘ herstellen, bestimmt über den Preis, die Regalplatzierung sowie Aktionen und hat Einfluss auf ebendiese Parameter der im Wettbewerb stehenden Industriemarken. Addiert man noch hinzu, dass ein Händler seine Marken Warengruppen-übergreifend einsetzen kann (z.B. Bio, frei von …, vegan oder für regionale Angebote) und auch keine Zugangsbarrieren zu weiteren Warengruppen hat (Marke anmelden, Lieferant suchen – los geht’s), ist man versucht, das Wettbewerbsszenario im LEH aus Herstellersicht düster zu zeichnen.
Volldistribution ist für Markenhersteller Pflicht
Umso wichtiger ist es für Nahrungsmittelhersteller, die Profilierungsfelder ihrer eigenen Marken konsequent zu bespielen. Das wichtigste Definitionskriterium für Markenartikel ist neben der Qualitätskonstanz die Ubiquität – Volldistribution ist Pflicht und macht den entscheidenden Unterschied zu den Marken des einzelnen Händlers. Selbst eine Edeka kommt im Vollsortiment nicht über einen Marktanteil von 15 Prozent in Deutschland, während die Top-Markenartikel heute Distributionswerte über 90 Prozent aufweisen können.
Daneben ist aber auch das wachsende Feld der Out-of-Home- und Impulskanäle ein Terrain, auf dem sich Food-Marken positionieren müssen. Wenn sie ihre Zielgruppen entlang der kompletten Customer Journey eines Tages begleiten wollen, müssen sie von der Bäckereifiliale am Morgen über die Betriebskantine bis zum Tankstelleshop auf dem Heimweg denken. Hier kann der Handel mit seinen Angeboten nicht mithalten. Die glaubwürdige und fokussierte Besetzung EINES Konsumthemas wie z.B. gesunde Erfrischung, ein Energiekick oder der kleine persönliche Genussmoment und die Einlösung dieses Versprechens über den gesamten Tagesablauf eines Konsumenten – das ist die Leistung der Industriemarke, die aber mit aller Konsequenz umgesetzt werden muss. Nicht nur in den eigenen Social-Media-Kanälen, sondern ganz physisch in Distribution, passenden Verpackungen und attraktiven Preisen.
Vom klassischen Unternehmer bis zum Food-Startup
Mit den Veränderungen in Handel und Markenlandschaft für Nahrungsmittel haben sich auch die Unternehmenstypen der Nahrungsmittelindustrie weiterentwickelt. Der einstmals dominante „klassische Unternehmer“, der seine Konsumenten „kennt“ und weiß, was sie erwarten, ist auf dem Rückzug, aber keineswegs ausgestorben. Er agiert aus Leidenschaft, entscheidet im Zweifelsfalle selbst, welches Produkt gelauncht werden soll, ist damit sehr schnell und trägt das Risiko meist mit eigenem Geld.
Daraus entwickelten sich im Laufe der Zeit professionelle Markenartikler im Mittelstand, die sich mit einem Know-how-Transfer aus den Großkonzernen Produktmanagement und Markenführung aufgebaut haben, auf geordnete Strukturen und Prozesse aufsetzen und damit die Innovationsrate hoch und die Floprate heruntergebracht haben. Dies alles jedoch zu Lasten der Geschwindigkeit und mit einem Hang zur bürokratischen Selbstverwaltung. Den Markenvertretern in hybriden Unternehmen ist es daher oft ein Graus, wenn ihre Kollegen aus dem Handelsmarken-Management in einem Bruchteil der Zeit Projekte der Handelspartner durch das Haus peitschen. Ein gewisses Maß an Shopper Insight und ein nicht immer ganz klarer Risiko-Shift zwischen Auftraggeber und Lieferant ersetzen meist aufwendigere Marktforschung und fördern die Lust am Experiment.
Diese Mentalität hat in den letzten Jahren auch bei den zahlreichen Start-ups der Food-Industrie Einzug gehalten. Die „Jungunternehmer“ sind mit großer Experimentierfreunde ausgestattet, haben nur minimale Strukturen und – auch finanziell – wenig zu verlieren. Sie sind daher maximal schnell und risikofreudig und ignorieren die komplexen Regeln von Vertriebskanälen und Branchensegmenten. Mehr noch als der klassische Unternehmer kennen sie ihre Zielgruppe nicht nur, sie sind ein Teil davon und haben daher auch das nötige Sensorium für marktrelevante Produktkonzepte, die Erreichbarkeit ihrer Zielgruppen und die richtige „Story“ hinter ihren Produkten. Ein Mix, der für erheblichen Wirbel in verschiedenen Segmenten der Food-Industrie sorgt und auch vom Handel als belebendes Moment derzeit sehr geschätzt wird.
Schnelligkeit für die Marke – Konzepte für die Handelsmarke 
Für die Anbieter von Marken oder Handelsmarken lohnt es sich, bei den jeweils anderen Unternehmenstypen über den Zaun zu sehen. So werden Handelsmarkenprojekte u.a. deswegen so schnell abgewickelt, weil man in den Unternehmen von Anfang an F&E und Produktion involviert, der Handel ist ohnehin mit im Boot. Markenartikel-Manager holen die Produktion oft erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium ihrer Konzepte mit ins Boot und der Handel wird eher als Absatzkanal denn als Vermarktungspartner gesehen. Über diese beiden Achsen ließen sich auch viele Markenprojekte beschleunigen. Viele Private Label Hersteller könnten hingegen gewinnen, wenn sie sich – wie Markenartikler – stärker mit den Konzepten für Neuprodukten auseinandersetzen und nicht nur mit der Feasibility in der Produktion und der Qualität der Verkostungsmuster. Beiden zusammen wäre schließlich damit geholfen, sich von der Energie, Risikofreude und Vernetzung mit den Zielgruppen inspirieren zu lassen, wie sie Start-ups praktizieren.
Die Ratschläge, von der jeweils „anderen“ Markenwelt organisatorisch und kulturell zu lernen, lassen sich nach unserer Erfahrung so zusammenfassen:
Für die Markenartikler:
1. Näher ran an den Handel!
2. Zurück in die Produktion!
3. Mehr Mut zum Risiko!
4. Das eigene Spielfeld besetzen!
Für die Hersteller von Handelsmarken:
1. Näher ran an den Konsumenten!
2. Konzepte statt Muster!
3. Komplexität beherrschen!
4. In Marken denken!
Die Entwicklung auf den Märkten und in den Vertriebskanälen lässt die Unterschiede zwischen Marken und Handelsmarken in Zukunft weiter schwinden. Am Ende begegnen sich beide Vermarktungsformen auf Augenhöhe im Wettbewerb um den Konsumenten.
Dieser Artikel ist in vollständiger Länge in ‚molkerei industrie‘ 8/2019 erschienen.

Ihr Ansprechpartner

t +49 – 89 – 1250 1590
presse[a]munich-strategy.com
Dr. Werner
Motyka

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„Geschäftsmodell Handelsmarke. Wie Hersteller mit Eigenmarken nicht nur wachsen, sondern auch Geld verdienen.“ (Studie)

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