
Der europäische Wohnungsmarkt 2024 bis 2026 – Aktuelle Entwicklungen sowie Auf- und Absteiger der Länder im Vergleich
7. Mai 2024
Studie: New Food Stars 2024
22. Juli 2024Autor
Marisa Elsäßer
INTERVIEW
„Durch seine Investitionstrends hebt sich Spanien im Wohnungsbau ab“: Interview mit Kiriakos Miskakis


Interview
Für das Whitepaper „Der europäische Wohnungsmarkt 2024 bis 2026” hat Kiriakos Miskakis aktuelle Entwicklungen im europäischen Wohnbau analysiert und die Auf- und Absteiger unter ausgewählten Ländern ermittelt. Fazit: Spanien profitiert, Deutschland gehört bis 2026 zu den Absteigern. Wir haben mit ihm über die unterschiedlichen Bedingungen in den Ländern gesprochen und darüber, ab wann es in Deutschland wieder aufwärts gehen könnte.
„Die Nachfrage in der Baubranche ist trotz des aktuellen Dämpfers intakt.”
Kiriakos Miskakis, Berater für die Bauindustrie bei Munich Strategy
Laut eurer Analyse kann 2025 mit einer leichten Erholung des europäischen Wohnungsneubaus gerechnet werden. Warum wird sich die Lage ab 2025 entspannen?
Miskakis: Wir sehen dafür vor allem folgende Gründe:
1. Die gestiegenen Finanzierungskosten, die viele Investoren zur Zurückhaltung veranlasst haben, könnten sich ab 2025 wieder normalisieren. Das wird zu einer Erholung des Immobilienmarktes führen.
2. In Gesprächen mit Marktteilnehmern vernehmen wir, dass Profiinvestoren möglicherweise bald wieder vermehrt in den Markt einsteigen werden, was zu einer Belebung des Immobilienbaus führen könnte.
3. Die Nachfrage in der Baubranche ist trotz des aktuellen Dämpfers intakt. Treiber sind hier der anhaltende Trend zur Urbanisierung und der steigende Bedarf an Wohnraum in Ballungsgebieten.
4. Nach den wirtschaftlichen Unsicherheiten der letzten Jahre insbesondere durch die COVID-19-Pandemie erwarten wir eine allgemeine wirtschaftliche Erholung.
Im Whitepaper habt ihr die Auf- und Absteiger unter ausgewählten Ländern bis 2026 ermittelt. Welche Faktoren wurden dafür herangezogen?
Miskakis: Wir haben uns in den Ländern vier zentrale Faktoren angeschaut. Faktoren, die sich auf die Bautätigkeit auswirken, sind die Baupreise und der Fachkräftemangel. Analysiert wurden der Baupreisindex und die Gesamtbeschäftigung im Baugewerbe der letzten Jahre. Faktoren, die die Wohnbaunachfrage beeinflussen, sind die Inflationsrate und staatliche Investitionen. Hier haben wir die Inflationsraten der Länder der letzten Jahre und den Anteil der staatlichen Investitionen in den Wohnbau am BIP verglichen.
Welche Faktoren tragen am meisten zum Rückgang der Neubauten in Deutschland bei?
Miskakis: In Deutschland sind die Baupreise seit 2015 um 160% gestiegen. Der Anstieg lag im gesamten Zeitraum über dem europäischen Durchschnitt. Der Grund dafür sind hohe Hypothekenzinsen, die auf einen extremen Preisanstieg bei den Materialien trafen. Gleichzeitig sinkt die Arbeitsproduktivität im Baugewerbe seit Jahren kontinuierlich. Auch der Fachkräftemangel im Bau ist in Deutschland enorm. 2023 wuchs die Arbeitskräftelücke im deutschen Bauhauptgewerbe auf 162 Tausend offene Stellen.
Laut eurer „Europäischen Wohnbau-Uhr“ befindet sich Deutschland gerade in der Phase des „beschleunigten Rückgangs“. Wann wird die nächste Phase, der „verlangsamte Rückgang“ eintreten und von welchen Faktoren hängt das ab?
Miskakis: Es ist schwierig, den genauen Zeitpunkt vorauszusagen, denn dafür müssen mehrere der folgenden Faktoren zusammentreffen:
1. Die Baupreise stabilisieren sich durch verbesserte Lieferketten und geringere Materialkosten. Wir erwarten einen moderaten Rückgang der Baupreise in Europa ab 2024.
2. Die politischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, zum Beispiel das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der aktuellen Bundesregierung, werden wirksam. Die formellen Hürden für andere Zuwanderungsmöglichkeiten werden gesenkt. Leider müssen wir davon ausgehen, dass die Maßnahmen nicht so schnell tragen und sich der Baufachkräftemangel in Deutschland bis 2026 weiter verschärfen wird.
3. Die Inflation sinkt weiter und kann auf einem konstant niedrigen Niveau gehalten werden. Gemäß dem IWF wird die Inflation in Deutschland von etwa 2,4% heute auf rund 2% bis 2025 zurückgehen und sich anschließend auf einem stabilen Niveau entwickeln.
4. Es werden gezielte Fördermaßnahmen für den Wohnungsneubau festgelegt und umgesetzt. Die Bundesregierung plant im laufenden Jahr das „Wohneigentum für Familien“ den „Klimafreundlichen Neubau im Niedrigpreissegment“ und „Gewerbe zu Wohnen“ mit erheblichen Mitteln fördern. Bis zum Jahr 2027 soll der soziale Wohnungsbau mit 18 Milliarden Euro gefördert werden. Auch bis diese Maßnahmen Wirkung zeigen, werden noch mindestens ein bis zwei Jahre vergehen.
Was sind die Hauptgründe dafür, dass Spanien im Vergleich zu anderen Ländern wie Deutschland und Schweden besser abschneidet?
Miskakis: Spanien hat die Inflationsrate bereits 2023 auf 3,4% gesenkt. Die Kaufkraft der Haushalte bleibt verhältnismäßig hoch. In Deutschland dagegen hat die Inflationsrate von im Durchschnitt 6% im Jahr 2023 die Kaufkraft geschwächt. Auch durch seine Investitionstrends hebt sich Spanien im Wohnungsbausektor ab. Bis 2026 wird Anteil der staatlichen Investitionen in den Wohnbau am Bruttoinlandsprodukt konstant über 3% liegen, während die Investitionen in Deutschland, Frankreich und Schweden voraussichtlich leicht zurückgehen und nur rund 1% betragen.
Alle EU-Länder haben mit dem Fachkräftemangel in der Bauindustrie zu kämpfen, jedoch gibt es anscheinend Länder, die das Problem besser im Griff haben als Deutschland. Woran liegt das?
Miskakis: Die Länder gehen die Herausforderungen des Wohnungsmangels auf unterschiedlichen Wegen an. Einige können bereits die Auswirkungen ihrer vor Jahren gestarteten Initiativen sehen. Spanien hat Maßnahmen zur Bekämpfung der Landflucht und Unterstützung ländlicher Regionen implementiert, macht zum Beispiel durch Stipendien und die Förderung von Praktika in ländlichen Gebieten diese attraktiver. Italien setzt Anreize zur Erhöhung der Geburtenrate wie höheres Kindergeld und längere Elternurlaube und begünstigt Rückkehrer und hochqualifizierte Fachkräfte steuerlich. In Frankreich wird über die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 64 oder 65 Jahre und über längere Arbeitszeiten diskutiert.
Welche Taktiken und Maßnahmen seht ihr jetzt bei den stärksten Unternehmen der Bauindustrie, um kurz- und mittelfristig erfolgreich zu sein?
Miskakis: Die stärksten Unternehmen passen ihre Strategien derzeit länderspezifisch an. In Ländern, die sich in einer Wachstumsphase befinden, geht es um das Optimieren der Vertriebsprozesse für Effektivität und Effizienz, die Transformation von Vertriebspartnern und Distributoren und das Einführen neuer Servicemodelle. In Ländern in der Rückgangsphase ist es wichtig, mit weniger Umsatz den Ertrag halten, das Bestandsgeschäft zu sichern und den Vertriebsfokus auf kurz- und mittelfristig zu realisierende Absätze zu legen. Egal, in welchen Ländern der Geschäftsfokus liegt: Die Investition in digitale Technologien und Prozesse zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung, die Implementierung von umweltfreundlichen Baupraktiken und Materialien und die Erweiterung des Portfolios durch den Eintritt in neue Märkte gehören durchgehend auf die CEO-Agenda.
Vielen Dank für deine Einschätzung!
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