„Ein engagierter Investor kann Filialbäckern unternehmerisch guttun“: Dr. Werner Motyka zur Entwicklung der Backbranche 2023.

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Autor
Marisa Elsäßer

INTERVIEW

„Ein engagierter Investor kann Filialbäckern unternehmerisch guttun“: Dr. Werner Motyka zur Entwicklung der Backbranche 2023.

Interview

Kaum ein Segment der Foodbranche steht derzeit so stark unter Druck wie die Backwarenindustrie. Die anhaltende Energiekrise und die seit 2022 gestiegenen Rohstoffkosten belasten die Unternehmen weiterhin. Zusätzlich ist die Branche stark von Personalknappheit betroffen. Laut unserem Branchenexperten Dr. Werner Motyka stehen die Liefer- und Filialbäckereien in den kommenden Jahren vor weitreichenden Veränderungsprozessen, in denen auch Investoren eine Rolle spielen werden. Wir haben mit ihm zur aktuellen Lage der Branche gesprochen.

„Investitionen in Warenwirtschaftssystem und IT verbessern die Steuerungsmöglichkeiten in Sortiment und Filialnetz. Neue Ideen, oft durch neues Management, können in der Zielgruppenansprache und dem Filialdesign entscheidende Akzente für die Zukunftsfähigkeit eines Filialbäckers setzen.”

Dr. Werner Motyka, Foodexperte bei Munich Strategy

Wie hat sich die Backwarenbranche seit 2022 aufgrund der massiven Preissteigerungen verändert?
Motyka: Wie auch in anderen Branchen hat die multiple Krise der letzten zwei Jahre die Entwicklung in der Backwarenbranche beschleunigt. Es kommt vermehrt zu Betriebsaufgaben, Insolvenzen und Übernahmen. Die Unternehmen, die bislang am Limit gearbeitet haben, scheiden aus dem Markt aus.
Das bedeutet in aller Regel auch, dass die starken Player, die in den letzten Jahren ihre Widerstandskraft aufgebaut haben, sich bei den ausscheidenden Unternehmen bedienen. Sei es durch Übernahme ausgewählter, leistungsstarker Filialen oder von Listungspositionen im LEH.
Welche Erfolgsfaktoren sind aktuell für Backwarenhersteller maßgeblich?
Motyka: Die Erfolgsfaktoren für Backwarenhersteller sind im Grunde nicht anders zu beurteilen als auch vor der multiplen Krise. Wer es schafft, sich auf seine Zielgruppen zu fokussieren, deren Bedarfe und Erwartungen zu verstehen und mit Produkten, Filialen und Serviceleistungen zu bedienen, und das Ganze auch noch effizient zu organisieren, der findet sich in guten wie in schlechten Zeiten auf der Gewinnerseite wieder. Das zeigen immer wieder unsere Performancevergleiche, die wir für Unternehmen in der Backwarenbranche und anderen Segmenten der Nahrungsmittelindustrie durchführen.
Speziell erwähnen sollte man allerdings den Aspekt der Gewinnung, Ausbildung und Führung von Mitarbeitenden. Aus eigenen Vergleichsuntersuchungen stellen wir immer wieder fest, dass sich in diesem Punkt gerade bei Filialbäckereien die Spreu vom Weizen trennt.
Und noch ein Erfolgsfaktor fällt bei Backfilialisten auf. Erfolgreiche Unternehmen achten bei der Standortwahl zunehmend auf das Einzugsgebiet ihrer Filialen und nicht mehr so stark auf die Frequenz durch Passantenströme. Hier können moderne Marktforschungstools einen Unterschied machen.
Bäcker finden sich zu Genossenschaften zusammen, um die Preissteigerungen durch gemeinsames Agieren abzufedern. Filialisten holen sich Beteiligungsgesellschaften ins Boot, um die Nachfolge zu regeln oder strategisch besser wachsen zu können. Wie bewertest du diese Entwicklung?
Motyka: Die Bündelung von Einkaufsmengen zur Erzielung besserer Konditionen ist nicht zuletzt auch eine der Gründungideen der Bäko. Eine Chance zur Wiederentdeckung und Neudefinition dieses starken Marktpartners?
Das Engagement von Private Equity in der Backbranche hat in den letzten Jahren zugenommen. Die Gründe lassen sich aus zwei Blickrichtungen beleuchten. Die Investoren haben zunehmend den Charme von Investitionsmöglichkeiten entdeckt, die eine langfristige und krisenresistente Entwicklung erwarten lassen. Für viele Beteiligungsgesellschaften, gerade auch Family Offices, ist das in Anbetracht der aktuellen Marktturbulenzen attraktiver als ein risikoreiches Investment, das neben der Chance auf rasche Gewinne auch den Totalverlust des eingesetzten Kapitals bedeuten kann.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein engagierter Investor zum Beispiel im Rahmen einer Nachfolgeregelung vielen Filialbäckern unternehmerisch guttun kann. Investitionen in Warenwirtschaftssystem und IT verbessern die Steuerungsmöglichkeiten in Sortiment und Filialnetz. Neue Ideen und Tatkraft, oft durch neues Management, können in der Zielgruppenansprache und dem Filialdesign entscheidende Akzente für die Zukunftsfähigkeit eines Filialbäckers setzen. Und in aller Regel ist ein Investor auch an weiterem Wachstum interessiert und unterstützt bei Auswahl und Übernahme von Wettbewerbern oder ausgewählter Filialen. Im Idealfall also eine klassische Win-Win-Situation!
Nach meiner Erfahrung ist die sorgfältige Beurteilung und Auswahl des jeweiligen Partners für beide Seiten der zentrale Erfolgsfaktor.
Welche Bedeutung hat die deutsche Backwarenbranche für ausländische Investoren?
Motyka: Der größte Teil des deutschen Backwarenmarktes ist für international tätige Beteiligungsunternehmen zu national, zu kleinteilig und zu wenig renditestark. Nicht umsonst sagt man „Brot braucht Heimat“ und mit dem immateriellen Weltkulturerbe ist eher nicht die schnelle Rendite- und Wachstumsstory zu schreiben.
Internationale Investoren greifen vor allem dort zu, wo sich Produktgruppen mit internationaler Reichweite zu einer größeren Einheit zusammenfügen lassen. Das funktioniert zum Beispiel bei verschiedenen TK-Backwaren oder bei Feinbackwaren und Keksen. Aktuelles Beispiel ist die Eingliederung von Coolback in die European Bakery Group, oder in den letzten Jahren das Entstehen der Biscuit International, dem europäischen Marktführer für Süßgebäck und Handelsmarken.
In welchen Bereichen siehst du das größte Wachstumspotenzial?
Motyka: Grundsätzlich ist der Backwarenmarkt in Deutschland gesättigt. In Zeiten knapper Haushaltsbudgets wird dann auch schon mal mengenmäßig weniger konsumiert. Wachstum ist also eine Frage der Perspektive für das einzelne Unternehmen, aus Branchensicht aber im Wesentlichen eine Umverteilung! Da kann es darum gehen, Konsumententrends schneller zu erkennen und konsequenter zu bedienen (wie es beispielsweise bei den Trinkmahlzeiten YFood gelungen ist), innovative Angebote für vorhandene Konsumsituationen zu finden (wie Gustavo Gusto der gesamten Pizza-Industrie gezeigt hat) oder noch mehr Konsumenten an die eigenen Produkte und Filialen zu binden (wie es zum Beispiel „Zeit für Brot“ an seinen Standorten vorführt). Auch die aktuelle Welle von Hefe-Zimtschnecken in Ballugsräumen ist ein schönes Beispiel, wie man mit Backwaren einen Trend gestalten beziehungsweise abschöpfen kann. 
Welche Chancen siehst du künftig für Bio-Backwaren?
Motyka: Bio spielt im Backwarenbereich vor allem bei hochwertigem Brot eine wichtige Rolle. Aus Sicht der Konsumenten kommen hier der ethische Nutzen und der bei vielen Nahrungsmitteln wichtige Aspekt der regionalen Herkunft der Rohstoffe zusammen. Diese Aspekte haben immer noch eine hohe Bedeutung. Wir sehen daher in städtischen Ballungsräumen neue Bio-Filialisten auf dem Vormarsch und das weitere Vordringen regionaler, vorverpackter Bio-Brote im LEH.
In der Preis- und Rohstoffkrise 2022 war zu beobachten, dass Bio-Bäcker ein weitaus geringeres Problem hatten als konventionelle Bäcker. Die Rohstoffbeschaffung aus der Region, häufig mit langjährigen Geschäftsbeziehungen und der Verzicht auf chemische Dünge- oder Spritzmittel, deren Preise auf den internationalen Märkten besonders stark anstiegen, haben sich in den Beschaffungskosten sehr positiv niedergeschlagen.
Vielen Dank für deine Einschätzung!

Ihr Ansprechpartner

t +49 – 89 – 1250 1590
presse@munich-strategy.com
Dr. Werner
Motyka

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