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21. Juni 2021Autor
Marisa Elsäßer
INTERVIEW
„Die Baukonjunktur profitiert vom ‚doppelten Asien-Effekt'“: 5 Fragen zum MCX an Dr. Sebastian Theopold
Interview mit Dr. Sebastian Theopold.
Dr. Sebastian Theopold hat den MCX Construction Index entwickelt – den ersten Echtzeit-Index für die globale Baubranche. Wir haben ihm fünf Fragen zur aktuellen Entwicklung des Index gestellt.
„Unternehmen sind gefordert, den Rohstoffeinkauf strategischer anzugehen als in der Vergangenheit.”
Dr. Sebastian Theopold, Bauexperte bei Munich Strategy
Was zeigt der MCX Construction Index, was andere Tools oder Berechnungen nicht können?
Theopold: Der MCX bildet die globale Baubranche in Echtzeit ab – alle Segmente, alle Regionen, alle Unternehmensgrößen. Während andere Indizes konjunkturelle Entwicklungen zeigen und dabei vor allem wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen einbeziehen, zeigt der MCX einen unverfälschten Blick auf die wichtigsten Aktienunternehmen der Branche. Im Index sind nur Unternehmen gelistet, deren Kerngeschäft im Bau liegt. Wir können so einen direkten Vergleich zwischen Unternehmen und ihrer Peer Group ziehen. Außerdem sind die Aktienkurse der Bauunternehmen ein wichtiges Frühwarnsystem für die Stimmung in der Branche.
Der MCX ist zwischen 1. Januar und 10. Mai um 18% gestiegen. Was hat die Aktienkurse der Baubranche zu Beginn des Jahres so getrieben?
Theopold: Die Baubranche ist zum einen nicht ganz losgelöst von der übergeordneten Börsenentwicklung: Ein Jahr nach dem Crash erreichten die Kurse neue Höchststände. Vor allem in Asien und den USA ist die Nachfrage nach Baumaterialien und Baudienstleistungen wieder stark gestiegen. Dabei hat die weltweite Baukonjunktur auch vom „doppelten Asien-Effekt“ profitiert: Die Region zeigte vor Corona das stärkste Wachstum und erholte sich auch deutlich früher als der Rest der Welt. In den USA sehen wir die Auswirkungen von „Build back better“, dem Infrastrukturprogramm der Biden Administration. Auch in Deutschland ist das Potenzial im Infrastrukturbau durch lange aufgeschobene Investitionen riesig. Selbst im Coronajahr 2020 ist das Segment um gut 1% gewachsen.
Rohstoffknappheit und hohe Preise trüben derzeit die Stimmung in der Branche und auch der MCX fällt seit seinem Höchststand im Mai stetig. Zeigen die Entscheidungen der Anleger, dass wir mit einer langanhaltenden Krise rechnen müssen?
Theopold: Nein, auf keinen Fall. Was wir in den letzten zwei Monaten gesehen haben, würde ich als ein „Stottern des Motors“ bezeichnen, das durch das Ab und Auf der Märkte und teilweise auch durch handelspolitische Entscheidungen generiert wurde. Zwei Faktoren sprechen dafür, dass wir in der zweiten Jahreshälfte eine deutliche Entspannung der Situation sehen werden und und es nicht zu fundamentalen Störungen kommen wird: Zum einen wird die Nachfrage nach Bauleistungen weiter hoch bleiben, zum anderen werden bei den zentralen Rohstofflieferanten stillgelegte Kapazitäten wieder ans Netz gehen. Das sehen wir zum Beispiel schon jetzt bei den Kunststoffen. Klar ist jedoch auch, dass sich das Preisniveau bei den Rohstoffen langfristig auf einem höheren Niveau einpendeln wird. Dadurch werden Bauprojekte teurer und die Unternehmen sind gefordert, den Rohstoffeinkauf strategischer anzugehen als in der Vergangenheit.
Über alle Branchen hinweg betrachtet klaffen Börse und Realwirtschaft derzeit ziemlich auseinander – die Kurse stehen auf Rekordniveau, die Wirtschaft ist noch nicht wieder in ihrer Vor-Corona-Form. Wie sieht es in der globalen Bauwirtschaft aus?
Theopold: Die globale Baukonjunktur war auch während der Coronakrise stark, aus zwei Gründen: Dem schon genannten „doppelten Asien-Effekt“ und der Tatsache, dass die Branche auch in den stark von Corona-Maßnahmen gebeutelten Regionen am wenigsten getroffen war. Die globale Bauwirtschaft ist 2020 nur um 0,9% geschrumpft, während das globale BIP im gleichen Zeitraum um ganze 3,5% gesunken ist. Der MCX liegt also deutlich näher an der Realwirtschaft als beispielsweise der MSCI World. Diese Entwicklung spiegelt sich auch bei unseren Kunden wider, die zum Teil deutlich gewachsen sind.
„Build back better“, das Wirtschafts- und Infrastrukturprogramm der Biden-Regierung, hat die amerikanischen Aktienkurse ziemlich getrieben. Warum hat(te) der EU-Aufbaufonds nicht die gleiche Kraft?
Theopold: Man darf nicht vergessen: In Europa hatten wir eine stärkere dritte Coronawelle und unsere Impfkampagne ist langsamer gestartet. Das hat uns um viele Wochen zurückgeworfen. Aber es liegt auch am politischen System: Der Präsident der Vereinigten Staaten spricht für ein Land. Wenn er entscheidet, dass Summe x in beispielsweise die Nachrüstung von Gebäuden investiert wird, hat das viel mehr Kraft als der „Aktionsplan“ der EU-Kommission. Als solchen sollte man den Green New Deal tatsächlich auch sehen und nicht als beschlossenes Maßnahmenpaket. Denn wie wir wissen, ist die Umsetzung in den 27 Mitgliedsstaaten noch einmal ein Kapitel für sich. Das Programm ist in seinen Grundzügen sicherlich gut, technologisch machbar und ambitioniert. Aber es ist eben auch unkonkret. Vielen Unternehmen und auch den Anlegern fehlt m.E. noch das Vertrauen, dass sie von der Politik die nötige Unterstützung für den Wandel erhalten.
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